Nicht ob, sondern wie – Kinder in der Pandemie nicht weiter zurücklassen

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,
Sehr geehrte Damen und Herren Ministerpräsident:innen,

„Alles dafür tun, dass unsere Kinder nicht die Verlierer der Pandemie sind.“(1) “Schule und KiTa haben Priorität”(2) “Schulen werden notfalls als letztes geschlossen und als erstes wieder geöffnet.“(3) “Wir werden nicht wieder Schulen und KiTas landesweit schließen. (4) “Kein Kind und kein Jugendlicher darf zurückgelassen werden in dieser schwierigen Zeit.“(5)

Dies und mehr haben Sie unseren Kindern versprochen, immer wieder und teils noch vor wenigen Tagen. Immer wieder haben Sie beteuert, anders als im Frühjahr differenziert auf das Infektionsgeschehen vor Ort einzugehen und Schulen nur zu schließen, wenn es in ihnen selbst zu Ausbrüchen kommt.

All diese Versprechen haben nichts geholfen: KiTas sind geschlossen, Schulen ebenso. Notbetreuung soll möglichst nicht in Anspruch genommen werden. Stattdessen wird sogar vorgeschlagen, ausgerechnet die Großeltern zur Betreuung der Enkel:innen heranzuziehen(6), während die Eltern oft weiterhin im Großraumbüro arbeiten müssen.

Natürlich steht außer Frage, dass wir je nach Infektionsgeschehen unser Verhalten anpassen müssen, um Risikopatient:innen zu schützen und die Krankenhäuser nicht zu überlasten. Doch einseitig Kindern immer umfassender die Chance auf Bildung und soziale Teilhabe zu nehmen, anstatt endlich auch im Arbeitsleben effektive Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen, ist Aktionismus auf Kosten der Kinder und Familien – und ist dabei nicht einmal geeignet, die Infektionszahlen deutlich zu senken.

Denn längst hat sich gezeigt, dass Kinder seltener infektiös sind als Erwachsene und dass Schulen und Kitas zwar das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung abbilden, aber darüber hinaus keinen treibenden Beitrag zum Infektionsgeschehen leisten. Die Zahlen des Robert-Koch-Instituts machen deutlich, dass es selbst in der Zeit, in der die Schulen und KiTas während der Pandemie geöffnet waren, 74% mehr Ausbrüche am Arbeitsplatz gab als in Bildungseinrichtungen. Zugleich infizieren sich in Schulen und Kitas je Ausbruch nur rund ein Drittel so viele Menschen wie am Arbeitsplatz. Auch im Herbst, vor den flächendeckenden Schließungen, sind die Infektionen bei Kindern und Jugendlichen bis 15 Jahren nicht stärker angestiegen als in der Gesamtbevölkerung.(7)

Hinlänglich bekannt sind hingegen die negativen Folgen von Schließungen der Bildungseinrichtungen: Bildungsverluste, Chancenungerechtigkeit, eine Zunahme von psychischen Störungen bis hin zu einer Zunahme von Gewalt in Familien. Kinder- und Jugendärzt:innen warnen ebenso(8) wie Psycholog:innen. Auch volkswirtschaftlich sind fortgesetzte Schulschließungen eine untragbare Hypothek, die die Wirtschaftskraft dauerhaft und nicht nur während der Pandemie senkt(9). Deutschlands wichtigste Ressource ist Wissen, dafür braucht es Bildung.

Dass wir im Gegensatz zu anderen Ländern (10) immer noch über die Frage diskutieren, OB Bildungseinrichtungen öffnen und nicht WIE, ist ein Offenbarungseid unserer gesellschaftlichen Prioritäten. Der kürzlich veröffentlichte Report von WHO, ECDC und CDC (11) hält fest, dass die Entscheidung, Schulen zur Pandemiebekämpfung zu schließen, nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollte. Mit einer geeigneten Teststrategie an Bildungseinrichtungen, die frühzeitig auch asymptomatische Fälle erkennt, lässt sich auch der neuen Mutation begegnen (vgl. auch die Einschätzung der DPGI (12)). Ist Ihre Strategie tatsächlich, Bildungseinrichtungen weiter geschlossen zu halten und Kindern pauschal Bildung und Teilhabe zu verwehren? Gibt es wirklich keine geeigneteren und verhältnismäßigeren Mittel?

Wir fragen Sie: Wie solidarisch sollen die Jüngsten unserer Gesellschaft denn noch sein? Wie groß soll der Beitrag der Kinder noch werden? Wie keine andere Altersgruppe werden sie ihren Möglichkeiten und Chancen beraubt. Welche Solidarität zeigt die Gesellschaft im Gegenzug mit unseren Kindern? Es ist unsere Verantwortung als Gesellschaft und Ihre als politische Entscheidungsträger:innen, die Rechte der Kinder endlich vorrangig zu berücksichtigen.

Wir fordern daher

  • die sofortige Öffnung von KiTas und Grundschulen, flankiert von einer Teststrategie, um Eintragungen in KiTas und Schulen auf ein Minimum zu reduzieren.
  • die verlässliche Öffnung von weiterführenden Schulen, wo notwendig im Wechselmodell,
    spätestens ab dem 01. Februar unter geeigneten Schutzmaßnahmen.
  • vorrangige Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen bei allen
    Maßnahmen.
  • ein evidenzbasiertes Vorgehen, das die konkrete Infektionslage und die räumlichen und
    personellen Möglichkeiten vor Ort in den Blick nimmt, statt pauschaler Schließungen.

“Jetzt ist die Stunde gekommen, in der wir zeigen müssen, dass es uns ernst ist mit der Aussage, dass Bildung Priorität hat.” (13) Familien in Deutschland warten genau darauf und verlassen sich auf Ihr Wort. Stehen Sie zu Ihren Versprechen und lassen Sie elf Millionen Kinder nicht im Stich!

Die Initiative Familien mit „Kinder brauchen Kinder“ und #FamilienInDerKrise

—-
Quellen:

(1) Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Bundespressekonferenz am 28.08.2020
(2) Unter anderem Gesundheitsminister Jens Spahn im August 2020
(3) Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, 27.10.2020
(4) Nordrhein-Westfalens Familienminister Joachim Stamp, 16.12.2020
(5) Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne, 06.01.2021
(6) Bayerns Sozialministerin Carolina Trautner, 14.01.2021 Link zum Video
(7) Auswertung der Rohdaten des RKI durch HASE & IGEL GmbH
(8) Gemeinsamer Appell von Kinder- und Jugendärzt/inn/en und Lehrkräften: https://www.dakj.de/pressemitteilungen/gemeinsamer-appell-von-kinder-und-jugendaerzt-inn-en-und-lehrkraeften/
(9) Schulschließungen kosten Deutschland 1,5% der Wirtschaftskraft: https://www.wiwo.de/my/politik/deutschland/kosten-der-schulschliessungen-lernverluste-kosten-deutschland-1-5-prozent-der-wirtschaftskraft/26797268.html
(10) z.B. Priorität für Bildung in Frankreich: Umgang mit Corona: Frankreichs Schulen bleiben offen: https://www.tagesschau.de/ausland/frankreich-schule-corona-101.html
(11) ECDC – COVID-19 in children and the role of school settings in transmission – first update:
(12) Stellungnahme der DGPI und der DGKH zur Rolle von Schulen und KiTas in der COVID-19 Pandemie: https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/children-and-school-settings-covid-19-transmission
(13) Schleswig-Holstein: Bildungsministerin Karin Prien im Landtag, 29.10.2020


3 Kommentare

Daniela O. · April 18, 2021 um 3:52 pm

Liebe Frau Merkl,
es ist nun ein Jahr, sogar über ein Jahr her und es geht nicht weiter.
Bitte lesen Sie sich den Brief ruhig nochmal durch.
Es muss nun gehandelt werden und dies langfristig! wir werden damit leben müssen, also brauchen wir eine Perspektive mit einer Strategie dahinter die langfristig greift.
Freundliche Grüße
Daniela O.

Peter Gaigl · Mai 28, 2021 um 1:53 am

Ich bin schon Opa, und meine Enkel sind mir genauso wichtig wie mir meine Kinder sind. Die Forderungen die ich hier lese gehen mir nicht weit genug. Es gehört das Beispiel Schweden weit in den Fordergrund gerückt: dieses beweist nach inzwischen über einem Jahr Verlauf der sogenannten Pandemie, dass dort der weit bessere Weg gewählt wurde. Hier fehlt nach wie vor JEDER wissenschaftliche Umgang mit Infektionsvorgängen jeder Art. Der bisherige Verlauf wurde NIE wissenschaftlich einwandfrei begleitet. Es fehlen IMMER NOCH saubere Studien, deren fehlen anfangs die Begründung lieferten für eilfertige Maximal-Maßnahmen. Inzwischen gibt es KEINE Entschuldigung mehr, und die Tatsache dass der Blick nach Schweden mit seinem WESENTLICH günstigeren Verlauf bei fast gänzlicher Verschonung vor schädigenden „Maßnahmen“ für Kinder in den sogenannten Qualitätsmedien vermieden und verhindert wird zeigt, dass ausschließlich politisch gesteuerte Bedürfnisse dafür verantwortlich sind .
Eben das muss aufgezeigt und nicht noch Testungen und Distanzierungen gefördert werden.
Ein sauberer Ländervergleich über die unterschiedlichen Verläufe würde dies unweigerlich ans Licht bringen und die fehlenden Belege ersetzen und hiesige wirre und unwissenschaftliche Behauptungen von Regierungsseite klar widerlegen.
Könnte dieses mit Euch diskutiert werden, dann bitte ich um Kontaktaufnahme.
Es wäre schade für unsere Kinder und Enkel, wenn diese einfache aber klärende und beweisende Möglichkeit weiterhin liegengelassen würde.
Nutzt Euere Reichweite, um den öffentlichen Diskussionsrahmen wieder zu erweitern und die Sprachlosigkeit zu überwinden!

Kerstin Winter · Juni 9, 2021 um 9:50 am

Liebe Politiker, bitte geben sie den Kinder wieder ihre Freiheit zurück. Ich bin keine Lehrkraft ich betreibe Gesundheitsförderung an Schulen. Finde es unzumutbar, dass die Kinder Maske tragen müssen. Sie halten Abstand an ihren Plätzen, das muss reichen. Erstens versteht man sie kaum, wenn sie sprechen. Also mag ich gar nicht wissen, was sie verstehen, wenn man vorne spricht. Zweitens ist es furchtbar stickig in der Maske, vorallem im Sommer. Bezweifle, dass die Kinder genügen Sauerstoff bekommen. Da die meisten Lehrkräfte jetzt geimpft sind, sollte man die Kinder wieder Kinder sein lassen und endlich aufhören Panik zu verbreiten! Vielen Dank!

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