Die verschiedenen Länder haben nicht nur unterschiedliche Wege zur Pandemiebekämpfung gewählt, sondern auch ein unterschiedliches Selbstverständnis mit Kita und Schule in Coronazeiten. Während im Frühjahr 2020 fast überall Bildungseinrichtungen geschlossen und Kinder nach Hause geschickt wurden, setzen inzwischen viele Länder auf geöffnete Kitas und Schulen bei entsprechenden Hygienemaßnahmen, um die gravierenden negativen Folgen der Schließungen auf Kinder zu vermeiden. Wir haben für Euch Bildung im internationalen Vergleich hier analysiert – und werfen jetzt einen Blick auf das Leben und die Bildung von Kindern in verschiedenen Ländern. Heute berichtet uns Anja, die eigentlich mit ihrer Familie in Hamburg lebt, von ihren Erlebnissen in Spanien.

In Spanien ist es völlig normal, dass Kinder zur Schule gehen, das tun sie auch in Zeiten von Corona und zwar seit den letzten Sommerferien.

Die Hygienemaßnahmen im Land sind streng, auch im Freien gibt es Maskenpflicht. Anders als in Deutschland sind in Spanien jedoch Bars und Restaurants unter strengen Auflagen in den meisten Regionen geöffnet und dies ist in Spanien ein Zeichen dafür, dass das soziale Leben nicht stillsteht und Normalität in chaotischen Zeiten möglich ist. Wenn Bars wieder öffnen können, empörten sich viele im Juni des vergangenen Jahres, müssen dies auch die Schulen. Wenn in Deutschland Baumärkte und Frisöre öffnen, müssen das die deutschen Schulen und KiTas nicht.

Paloma (Name von der Autorin geändert), die in einer Hotelanlage auf Gomera arbeitet und einen 10- und einen 16-jährigen Sohn hat, erklärt: “Die Kinder an unseren Schulen sind in Kohorten (burbujas) aufgeteilt. Wenn es in einer Kohorte eine Auffälligkeit gibt, muss diese in Quarantäne. Es gibt an unserer Schule drei Schuleingänge, andere starten den Unterricht zu unterschiedlichen Uhrzeiten. Die Maske ist ab dem 6. Lebensjahr Pflicht, vor Betreten der Schule wird die Temperatur jedes Kindes gemessen. Für die Desinfektion der Hände gibt es überall Spender.”

Das sind Maßnahmen, die Eltern aus Deutschland bekannt vorkommen. Auch in Hamburg wurden meine Töchter ab den Sommerferien mit ähnlichen Vorsichtsmaßnahmen beschult und das schien gut zu funktionieren. Bis Weihnachten vor der Tür stand, und Schulen schließen mussten, weil Kinder während der besinnlichen Tage ihre Verwandten anstecken könnten. Seither ist die Schule für viele verschlossen geblieben und viele empört das nicht.

„Ich war wegen der Schulöffnung im September etwas nervös und die Presse tat ihr Übriges dazu, Schreckensszenarien zu zeichnen,” erzählt Paloma weiter. “Die Schutzmaßnahmen in der Schule beruhigten mich aber schnell. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass Schulen sichere Orte für Kinder sind. Der erste Lockdown im Frühjahr 2020 hat uns doch gezeigt, welche Nachteile Online-Unterricht bringt. Da unser Hotel im Confinamiento, wie man in Spanien den Lockdown in 2020 nennt, geschlossen hatte, konnte ich mit dem jüngsten Sohn selbst lernen. Mein Ältester lässt sich nichts mehr sagen. Für Eltern, die von zuhause arbeiteten, war die Situation furchtbar. Ich habe Bekannte mit drei Kindern. Die haben doch keine 3 Computer.“ Paloma holt ihr Handy aus der Tasche und öffnet eine App, auf der sie erkennen kann, wieviel Punkte ihr Sohn aktuell in den einzelnen Fächern hat. „Diese Kommunikationsplattform hatten wir schon vor der Pandemie und sie half uns im Confinamiento ungemein. Wir stehen in Kontakt mit den Lehrern, wissen, welche Hausaufgaben zu erledigen sind und wo unsere Kinder leistungstechnisch stehen. Ich bin jedoch heilfroh, dass der Online-Unterricht vorbei ist. Die Kinder brauchen das soziale Umfeld und ihre Lehrer, die den Stoff erklären, sonst bleibt nichts hängen.“

Spanien gibt es einen gemeinsamen Konsens: Präsenzunterricht ist wichtig! Das betont auch die spanische Bildungsministerin Isabel Celaá im Interviews mit der Zeitung el Diario. „Der Nutzen der Präsenzbeschulung für Schüler:innen überwiegt alle eventuellen Risiken“ verkündet sie aus Madrid. Die Schule könne zu einem Pandemietreiber werden, hieß es im vorigen August, doch dem war nicht so. Auch mit Präsenzunterricht liegt die Inzidenz dort mit 108,13 (Stand 28. April 2021) unterhalb der deutschen von 160,6 (RKI 28. April 2021).

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Die Zeitung El Pais stellt am 2.4. April folgende Frage: Wie schafft es Spanien die Schulen offen zu halten, während die umliegenden Länder diese schließen? Neben all den aufgeführten Hygienekonzepten und der präventiven Quarantäne von Kohorten, fällt mir eine Sache in den spanischen Medien und den Erzählungen der Frauen, mit denen ich spreche, besonders auf:

Es besteht eine gesellschaftliche Einigkeit darüber, die Schulen offen zu halten. Das hängt zum einen mit den negativen Erfahrungen aus dem Lockdown zusammen, zum anderen mit den positiven während der Unterrichtszeit im aktuellen Schuljahr. Vielleicht schlug Spanien den Weg für offene Schulen ein, da Familien in der Gesellschaft eine zentrale Rolle spielen und Kinder ganz natürlich dazugehören. Weil Eltern und Politiker:innen sich bei Schulschließungen im Sinne ihrer Familien gemeinsam empören würden? Laut OECD ist Spanien jedenfalls eines der Länder mit dem geringsten Schulausfall.

In Deutschland ist es nach Erkenntnissen aus mehr als 5 Monaten digitaler oder analoger Autodidaktik im Kinderzimmer und einigen Wochen holprig- hybrider Unterrichts-Teststrecken allein im aktuellen Schuljahr höchste Eisenbahn, die Weichen für offene Schulen zu stellen. Computersucht, Reizbarkeit, Depressionen, Antriebslosigkeit, Lern- und Entwicklungsrückstände, Bewegungsmangel und häusliche Gewalt nahmen in den vergangenen Monaten zu.

Vielleicht werden andere Länder etwas selbstkritischer wie es ein El Pais Leser empfiehlt, denn sie enthalten Kindern unnötigerweise den Präsenzunterricht vor. An der Schule meiner Kinder, kommentiert der Vater aus Madrid weiter, konnten alle Ansteckungen des laufenden Schuljahres auf das familiäre Umfeld der Kinder zurückgeführt werden. Es gab keine Ansteckung in der Schule. Der Präsenzunterricht ist, wie Spanien es bewiesen hat, durchaus möglich. Auch etliche Tageszeitungen der einzelnen Regionen resümieren Ende des 2. Trimesters (Ende März 2021): Schulen sind sichere Orte. Es ist höchstwahrscheinlich, dass Infektionen außerhalb der Schule stattfinden.

Man kann an unterkühlten deutschen Apriltagen nur vorsichtig optimistisch sein, denn deutsche Behörden knüpfen Präsenzunterricht an Inzidenzwerte und anders als in Frankreich und Spanien, wo Regierungen stolz über offene Schulen und KiTas sprechen, spürt man in Deutschland die „typisch deutsche Zögerlichkeit“. Hinzu kommt eine Gesellschaft, die gespaltener als je zuvor wirkt.

‘Hey teacher, leave us kids alone’, trällert die Pink Floyd Hymne letzte Woche in der spanischen Strandbar, irgendwie fehl am Platz. Was für eine verkehrte Welt. Meine deutschen Kinder finden es cool, in der digitalen Welt zu surfen, verlassen ihre Zimmer ungern. Sie vermissen die reale Schule und Freunde nicht mehr. Sie wollen auch keine Spanisch-Lektion von mir.


Quellen:

Nach Betrachtung des bisherigen Schulverlaufs erachten Fachleute eine neuerliche Schulschließung als schwierig. „So sehr die Inzidenz in den kommenden Wochen auch zunehme“, sagt der spanische Epidemiologe und Kinderarzt Quique Bassat, „es scheint sehrunwahrscheinlich, dass es uns schlechter als in früheren Wellen geht. Alles verläuft zu unseren Gunsten: das Wetter bessert sich, die Lehrer werden geimpft.“ Und er betont auch, dass es bislang keine Evidenz gäbe, dass die neuen Virusvarianten die Übertragbarkeit bei Kindern erhöhten.Die Zeitung El Pais stellt am 2.4. April folgende Frage: Wie schafft es Spanien die Schulen offen zu halten, während die umliegenden Länder diese schließen?Neben all den aufgeführten Hygienekonzepten und der präventiven Quarantäne von Kohorten, fällt mir eine Sache in den spanischen Medien und den Erzählungen der Frauen, mit denen ich spreche, besonders auf:Es besteht eine gesellschaftliche Einigkeit darüber, die Schulen offen zu halten. Das hängt zum einen mit den negativen Erfahrungen aus dem Lockdown zusammen, zum anderen mit den positven während der Unterrichtszeit im aktuellen Schuljahr. Vielleicht schlug Spanien den Weg für offene Schulen ein, da Familien in der Gesellschaft eine zentrale Rolle spielen und Kinder ganz natürlich dazugehören. Weil Eltern und Politiker:innen sich bei Schulschließungen im Sinne ihrer Familien gemeinsam empören würden? Laut OECD ist Spanien jedenfalls eines der Länder mit dem geringsten Schulausfall.In Deutschland ist es nach Erkenntnissen aus mehr als 5 Monaten digitaler oder analoger Autodidaktik im Kinderzimmer und einigen Wochen holprig- hybrider Unterrichts-Teststrecken allein im aktuellen Schuljahr höchste Eisenbahn, die Weichen für offene Schulen zu stellen. Computersucht, Reizbarkeit, Depressionen, Antriebslosigkeit, Lern- undEntwicklungsrückstände, Bewegungsmangel und häusliche Gewalt nahmen in den vergangenen Monaten zu.Vielleicht werden andere Länder etwas selbstkritischer wie es ein El Pais Leser empfiehlt, denn sie enthalten Kindern unnötigerweise den Präsenzunterricht vor. An der Schule meiner Kinder, kommentiert der Vater aus Madrid weiter, konnten alle Ansteckungen des laufenden Schuljahres auf das familiäre Umfeld der Kinder zurückgeführt werden. Es gab keine Ansteckung in der Schule. Der Präsenzunterricht ist, wie Spanien es bewiesen hat, durchausmöglich. Auch etliche Tageszeitungen der einzelnen Regionen resümieren Ende des 2. Trimesters (Ende März 2021): Schulen sind sichere Orte. Es ist höchstwahrscheinlich, dass Infektionen außerhalb der Schule stattfinden.Man kann an unterkühlten deutschen Apriltagen nur vorsichtig optimistisch sein, denn deutsche Behörden knüpfen Präsenzunterricht an Inzidenzwerte und anders als in Frankreich und Spanien, wo Regierungen stolz über offene Schulen und KiTas sprechen, spürt man in Deutschland die typisch deutsche Zögerlichkeit. Hinzu kommt eine Gesellschaft, die wegen der verfahrenen Politik, viele Fingerzeiger:innen produzierte und gespaltener als je zuvor wirkt.‘Hey teacher, leave us kids alone’, trällert die Pink Floyd Hymne letzte Woche in der spanischen Strandbar, irgendwie fehl am Platz. Was für eine verkehrte Welt. Meine deutschen Kinder finden es cool, in der digitalen Welt zu surfen, verlassen ihre Zimmer ungern. Sie vermissen die reale Schule und Freunde nicht mehr. Sie wollen auch keine Spanisch-Lektion von mir.