Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundestages

Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

wir wenden uns an Sie als unsere Vertreter im Deutschen Bundestag mit der dringenden Bitte, sich dafür einzusetzen, dass vor allem Kinder und Jugendliche nach zwei Jahren erbrachter Sonderopfer zum Schutz vulnerabler Erwachsener, endlich wieder einen normalen Alltag erleben dürfen.

Wenn am 20.03.2022 nahezu alle Corona-Schutzmaßnahmen fallen, dann darf es nicht sein, dass exklusiv für Kinder und Jugendliche der Einsatz eines strengen Maßnahmenpakets über den 19. März hinaus möglich gemacht wird. Maßnahmen wie Test-, Masken-, und Impfnachweispflichten, wie sie in dieser Phase der Pandemie nur noch in Hochrisikobereichen – wie Krankenhäuser oder Altenheimen – ihre Rechtfertigung haben, dürfen nicht gegen Kinder verwendet werden.

Bei allem was wir mittlerweile wissen, kann es nicht mehr darum gehen, irrationale Ängste oder überhaupt Meinungen zu bedienen. Sondern es muss einzig und allein das getan werden, was für die Kinder das Beste ist. Es muss endlich auf die Expertise der kinderärztlichen Fachgesellschaften gehört werden, die ein Ende der anlasslosen Tests und der Maskenpflicht in den Schulen und Kitas fordern: Aufruf von BVKJ/DGPI/DGKH/DGPK: Kommunikation des Strategiewechsels – jetzt – 16. Februar 2022 – Stellungnahme – Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte.

Die sogenannten „niedrigschwelligen Basismaßnahmen“, bestehend aus Masken- und Testpflichten in besonderen Settings, wie es in der Beschlussvorlage der letzten MPK heißt, mögen für Erwachsene genau das sein: niedrigschwellig und akzeptabel, weil es sich für sie auf wenige zeitlich begrenzte Situationen beschränkt. Für schulpflichtige Kinder ist es ein massiver Eingriff in ihr Alltagsleben und in ihre körperliche Unversehrtheit. Grundschulkinder im Ganztag tragen acht Stunden lang Maske, nahezu ohne Unterbrechung, an fünf Tagen in der Woche. Auch die anlasslosen Tests in der Schule, verbunden mit der permanenten Angst, als positiv getestetes Kind zunächst in der Schule isoliert zu werden, um sich dann in die häusliche Isolation zu begeben, sind alles andere als „niedrigschwellige Maßnahmen“ für Kinder und Jugendliche. Hinzu kommt das ständige Klima der Angst und der maximalen Kontrolle. Was macht es mit den Kindern, wenn exklusiv für sie die strengsten Regeln gelten und nur noch sie anlasslos getestet werden, während Erwachsene nahezu keine Einschränkungen mehr hinnehmen müssen?

An den Schulen und Kitas kamen immer mehr Corona-Schutzmaßnahmen hinzu und sind geblieben. Sie haben zusammen mit irreführender Information die Risikowahrnehmung einiger Eltern, Lehrkräfte und Schüler verzerrt, unnötige Ängste geschürt und die Diskussionskultur nachhaltig vergiftet. Umso wichtiger ist es, diese Spirale der irrationalen Ängste endlich zu verlassen und zuallererst den Kindern, jetzt wo es möglich ist, ihren normalen Alltag zurückzugeben – so schnell wie möglich und konsequent. Unsere Kinder müssen endlich wieder unbeschwert sein dürfen, in eine KiTa und Schule gehen, in der sie sich wohl fühlen, endlich wieder singen und spielen, Sportfeste, Ausflüge und Klassenfahrten machen.

Seit Omikron befinden wir uns anerkanntermaßen in einer neuen Phase der Pandemie. Ein Strategiewechsel ist notwendig und teilweise schon vollzogen, nämlich weg vom Containment mit dem Ziel der Vermeidung jeder Infektion hin zur Protection, d.h. dem Schutz vor schwerer Erkrankung und Tod. Deshalb verlangt auch die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene eine Priorisierung auf den effektiven Schutz der Vulnerablen. Sie betont explizit, dass Kinder NICHT zu dieser vulnerablen Gruppe gehören und fordert, anlasslose Massentests bei Kindern und Jugendlichen zu beenden: 2022-01-24-Stellungnahme-Strategiewechsel.pdf (krankenhaushygiene.de).

Mittlerweile ist unbestritten, dass Kinder weder infektiöser sind als Erwachsene (das Gegenteil ist der Fall) noch besonders gefährdet. Auch unser Gesundheitssystem, um dessen Schutz es ja offiziell immer ging, belasten sie nicht sonderlich. Dennoch haben sie auch in den vergangenen Monaten einen enormen Beitrag zur Pandemiebekämpfung geleistet und Opfer gebracht wie kaum ein Erwachsener, ohne selbst davon zu profitieren, immer zum Schutz vulnerabler Erwachsener, zum Schutz der Lehrer, zum Schutz der Ungeimpften über 60-Jährigen. Die Juristen nennen das Sonderopfer. Lockerungen wurden und werden aber in Deutschland nach wie vor zuerst und teilweise ausschließlich für Erwachsene möglich gemacht. Das darf so nicht weitergehen.

Wir rekapitulieren:

  • Für Kinder stellt das Corona-Virus keine besondere Gefahr dar. Eine Infektion führt bei Ihnen nur in absoluten Ausnahmefällen zu einem schweren Verlauf. Corona ist für sie vergleichbar mit vielen anderen Lebensgefahren. Die Influenza ist für sie zum Beispiel deutlich gefährlicher, auch das RSV-Virus.
  • Die Einschränkungen schaden ihnen hingegen massiv, körperlich und seelisch.
  • Alle Menschen werden sich mit dem Virus infizieren – sogar mehrfach auf dem Weg zur Endemie. Eine Impfung schützt vor schwerem Verlauf, aber nicht vor Infektion.
  • Durch das Impfangebot haben auch gefährdete Kinder und deren Familien nun die Möglichkeit, sich vor schwerem Verlauf zu schützen.

Welcher Grund könnte eine Verlängerung der einschneidenden Maßnahmen ausgerechnet und exklusiv für Kinder und Jugendliche zum jetzigen Zeitpunkt also noch rechtfertigen? Soll mit den anlasslosen Tests an den Schulen weiterhin suggeriert werden, Kinder und Jugendliche seien die Quelle der Infektionsketten? Das Gegenteil ist längst erwiesen. Infektionsketten – gestartet durch Erwachsene, am Arbeitsplatz, in der Diskothek, bei Familienfeiern, im Kirchenchor… – werden zuverlässig dann erkannt, wenn sie beim Kind angekommen sind. Zum Dank wandert das erkannte positive, in der Regel kerngesunde Kind in Isolation, während wahrscheinlich gleich mehrere asymptomatisch positive Erwachsene unerkannt bleiben.

In allen Bereichen sollen nun ab dem 20. März nahezu alle Corona-Maßnahmen fallen. Für Erwachsene verlassen wir die Strategie der Vermeidung jeder einzelnen Infektion, dabei ist für sie das Risiko schwer zu erkranken, trotz Impfung, ungleich größer als bei Kindern und Jugendlichen. Es soll wieder mehr Verantwortung an die Bürger zurückgegeben werden, denn jeder kann sich selbst schützen, durch eine Impfung nach STIKO-Empfehlung. Wem das nicht reicht, der kann sich zusätzlich mit einer FFP2 Maske schützen, oder sein Verhalten an die Situation anpassen. Diesen Strategiewechsel begrüßen wir grundsätzlich, aber bitte lassen Sie nicht zu, dass diese Erleichterungen ausgerechnet für Kinder und Jugendliche nicht gelten sollen.

Um uns herum haben immer mehr Länder angekündigt, praktisch alle Maßnahmen fallen zu lassen, vor allem auch an den Schulen, sofern es dort noch welche gegeben hat. Anlasslose Massentests an Schulen hat es in den meisten europäischen Ländern nie gegeben. Maskenpflichten häufig erst für Kinder ab 12 Jahren. In den Niederlanden dürfen mittlerweile sogar Corona-positive Kinder in die Kita oder Schule kommen, solange sie nicht krank sind.

Nach Presseberichten aus der MPK gehen einige Ministerpräsidenten offenbar davon aus, dass der Bundestag ihnen auch über den 19. März hinaus Mittel an die Hand gibt, Maskenpflichten, Testpflichten, Quarantäneregelungen und ggf. auch 2G/3G-Regelungen in bestimmten Bereichen aufrecht zu erhalten. Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass solche Maßnahmen, wenn sie für Hochrisikobereiche wie Krankenhäuser oder Altenheime auch notwendig sein sollten, NICHT mehr für Schulen und Kitas gelten dürfen. Das sind wir unseren Kindern und Jugendlichen schuldig.

Seien Sie mutig und beherzt. Setzten Sie sich dafür ein, dass zuallererst unsere Kinder und Jugendlichen sich wieder frei und unbeschwert entwickeln dürfen.