Die Berliner Amtsärzte verstehen ihr Geschäft – die neuen Quarantäneregeln für Schulen und KiTas sind im Interesse der Berliner Kinder

Die Berliner Amtsärzte verstehen ihr Geschäft. Sie sind die Experten für Eindämmung von Sars-Cov2 in Schulen und KiTas und für den Schutz der Gesundheit von Kindern. Die neuen Quarantäneregeln, die sie vorschlagen, sind epidemiologisch gut begründet. Das zeigen auch Erfahrungen von Ländern wie England, die eine stärkere Welle mit der jetzt dominanten Delta-Variante hinter sich haben. Neue Studien zeigen: Testen enger Kontaktpersonen verspricht ebenso effektive Eindämmung wie weitgehende Quarantäne. Politiker:innen und Eltern würden gut daran tun, den Expert:innen zu vertrauen und die vorgeschlagenen Regeln zu unterstützen.

Die Initiative Familien begrüßt die Nachricht vom 27.08.2021, dass sich die Amtsärzte der Berliner Bezirke einstimmig auf eine neue Strategie hinsichtlich der Quarantäne-Regeln geeinigt haben. Danach müssen nur noch Kinder und Lehrer bzw. Erzieher mit einem positiven PCR-Test und deren engste Familienangehörige in eine 14-tägige Quarantäne – nicht mehr sonstige Kontaktpersonen wie Sitznachbarn oder die ganze Klasse/Gruppe. Die Amtsärzte begründen diesen Strategiewechsel mit dem Schutz von Kindern und Familien vor den sozialen und psychologischen Folgen einer Quarantäne. 

Wir halten diesen Strategiewechsel für richtig und im Interesse der Familien. Die Fortsetzung der bisherigen Quarantäneregeln ist auf Grund der Datenlage unangemessen und bringt keine Vorteile bei der Eindämmung wie die Erfahrungen mit der Sommerwelle in England gezeigt haben. Dort waren aufgrund weitgehender Quarantäneregeln zeitweise bis zu 20% der Kinder zu Hause isoliert, auch wenn sie kerngesund waren. Weil eine sorgfältige gemachte Vergleichsstudie der Universität Oxford gezeigt hat, dass regelmäßiges Testen von Kontaktpersonen ebenso wirksame Eindämmung verspricht wie Quarantäne, setzt England jetzt auf Testen anstatt auf Quarantäne. An dieser Erfahrung kann sich Berlin getrost orientieren. Dänemark und die Niederlande sehen Quarantäne nur für enge Kontaktpersonen vor. Das zeigt: Quarantäneregeln müssen nicht zu Schulschließungen durch die Hintertür führen. 

Nach den monatelangen Beschränkungen des Schul- und Betreuungsbetriebs, mit erheblichen Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit vieler Kinder und Jugendlicher, müssen die Ziele des Infektionsschutzes und der Aufrechterhaltung eines regulären Schulunterrichts/Betreuungsangebots neu miteinander abgewogen werden. Anderenfalls droht ein weiterer Winter mit erheblichen weiteren Folgeschäden für Kinder und Jugendliche sowie deren Familien. Die bisherige Vorgehensweise der Gesundheitsämter in Berlin, möglichst jede Infektion in der Schule aufzudecken, war schon seit langem evident unverhältnismäßig, weil die dadurch tatsächlich gefundenen Infektionen marginal waren. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Kinder, nämlich 95 %, wurde laut Amtsarzt Larscheid in diesen 14 Quarantänetagen keine Ansteckung nachgewiesen. Auch der Epidemiologe und ehemalige Direktor der WHO für Pandemievorbereitungsprogramme Klaus Stöhr hat gestern gegenüber dem rbb bestätigt, dass der Strategiewechsel der Amtsärzte dem aktuellen Fachwissen entspricht. Daten aus Hessen vom Januar bis zum Beginn der Sommerferien haben laut Stöhr gezeigt, dass asymptomatisch erkrankte Kinder andere Kinder maximal im Größenverhältnis von einem Prozent angesteckt haben. Trotz der fehlenden infektiologischen Rechtfertigung wurden in den letzten Monaten ganze Klassen bzw. Lerngruppen für 14 Tage in Quarantäne geschickt, ohne dass die Möglichkeit einer Freitestung durch PCR-Test bestand – anders als beispielsweise in den Niederlanden. Für die betroffenen Eltern bedeuteten und bedeuten die Quarantänezeiten der Kinder und Jugendlichen ebenfalls starke Beschränkungen, insbesondere im beruflichen Bereich. 

Die Kritik der „Durchseuchung“ im Hinblick auf die steigenden Infektionszahlen in den jüngeren Altersgruppen ist aus unserer Sicht substanzlos und geht an der Realität in den Schulen vorbei. Seit Monaten werden die Kinder in den Schulen regelmäßig – vor Unterrichtsbeginn – getestet. Eine Infektion wird folglich immer frühzeitig erkannt, ohne dass die betroffenen Lerngruppen lange im Kontakt miteinander sind. Es ist zudem nach bisherigem Stand Konsens, dass Kinder selbst nur in seltenen Fällen schwer an Covid erkranken und auch schnell wieder genesen. In England haben sich im Sommer zwar recht viele Kinder infiziert, aber schwere Erkrankungen sind zum Glück weiter selten geblieben.

Auch unter Berücksichtigung des Impffortschritts bei den vulnerablen Gruppen wird es Zeit, die Rechte der Kinder auf Regelbetrieb in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen und sozialer Teilhabe in den Vordergrund zu stellen. Würde an den alten Quarantäneregeln festgehalten werden, wären Monate mit zahlreichen Quarantänen und Homeschooling für Kinder und Jugendliche und deren Familien vorprogrammiert.

Andrea Martin, Rebecca Prelle

Initiative Familien, Landesgruppe Berlin

berlin@initiativefamilien.de